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Interview – Wir haben einen Experten zum Thema Europa befragt:

Mag. Patrick Scherhaufer ist ehemaliger Mitarbeiter am Institut für europäische Integrationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und geschäftsführender Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW, http://www.oegpw.at).

Welche Vorteile hat es für Staaten, bei der EU zu sein?

Nach den schrecklichen Erlebnissen und Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg waren viele Staaten in Europa bemüht, in Zukunft friedlich zusammen zu arbeiten. Die gemeinsame Kontrolle wichtiger Rohstoffe (wie Kohle und Stahl) sowie die Schaffung eines gemeinsamen Marktes sollten den wirtschaftlichen Wohlstand Europas sicherstellen. Mit der Erhöhung des Lebensstandards verstärkten sich auch die Bemühungen der EU in Sachen Menschenrechte, Demokratie oder der Bekämpfung von Diskriminierung, d.h. der Benachteiligung oder Schlechterstellung bestimmter Gruppen (z.B. Frauen, Arbeitslose, Migranten/Migrantinnen, Kinder). Die Mitgliedsstaaten akzeptieren mit ihrem Beitritt die demokratischen Grundwerte der EU und können in der Gestaltung der EU aktiv mitentscheiden.

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Gibt es spezielle Vorteile für Kinder und Jugendliche?

Die Rechte von Kindern und Jugendlichen sind in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgehalten. Dort steht zum Beispiel, dass Kinder Anspruch auf Schutz und Fürsorge haben und dass sie ihre Meinung frei äußern können. Im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind für Kinder und deren Eltern darüber hinaus zwei Richtlinien (Gesetze) der EU wichtig: die Mutterschutzrichtlinie (seit 1992) und die Elternzeitrichtlinie (seit 1996). Diese Gesetze geben vor, dass Mütter vor und nach einer Geburt nicht arbeiten dürfen und dass das Fernbleiben von der Arbeit bei Krankheit oder Unfall der Kinder ermöglicht werden muss.
Den größten Vorteil für Jugendliche innerhalb der EU sehe ich darin, dass Reisen innerhalb Europas um ein vielfaches erleichtert wurde. An den meisten Grenzen gibt es keine Kontrollen mehr, und mit dem Euro lässt es sich bequem in 19 Ländern einkaufen. Bei Problemen unterwegs hilft auch die kostenlos zu erreichende europäische Notrufnummer 112.

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Gibt es noch Grenzen in der EU?

Von den ursprünglich 6 Mitgliedsstaaten im Jahr 1951 ist die EU auf eine 28 Länder umfassende Gemeinschaft herangewachsen. Dementsprechend haben sich die Grenzen der EU laufend verändert. Durch den sogenannten Schengenraum wurden die meisten Grenzkontrollen innerhalb der EU abgeschafft. Auch nicht EU-Länder wie Norwegen, Island oder die Schweiz wenden die Regelungen von Schengen an. Die Außengrenzen der EU werden demgegenüber strenger überwacht.

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Wer bewacht diese Grenzen?

Bei Großereignissen, wie zuletzt der Fußballeuropameisterschaft, wurden auch an den Grenzen Österreichs wieder Kontrollen durchgeführt. Die österreichische Polizei hat hier verstärkt mit Exekutivbeamten aus anderen europäischen Ländern kooperiert. An den EU-Außengrenzen kommt verstärkt ein eigens dafür geschultes Personal zum Einsatz (Polizei, Grenzschutz, Zoll etc.). Zusätzlich werden diese Grenzen oft auch mit Hilfe von Kameras oder sogar Satellitenaufnahmen überwacht.

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Was braucht man zum Reisen in ein anderes EU-Land?

Derzeit sind 22 Länder der EU Mitglieder des Schengenabkommens. Dieses Abkommen ermöglicht ein freies Reisen ohne Grenz- und Passkontrollen und oft ohne lästige Wartezeiten. Nur für Reisen nach Zypern, Irland, Rumänien, Bulgarien und das Vereinigte Königreich wird ein gültiger Reisepass oder Personalausweis benötigt. Von Fall zu Fall kann es aber die nationale Sicherheit erfordern, dass Reisende sich ausweisen müssen. Deshalb sollten alle Reisenden immer einen gültigen Reisepass oder Personalausweis bei sich tragen. Kinder müssen eigene Reisepässe besitzen oder bei den Eltern eingetragen sein. Auf der Rückseite der österreichischen E-Card befindet sich die europäische Krankenversicherungskarte. Ich rate, diese Karte einfach immer mitzuführen. Damit kann jeder ganz unbürokratisch und einfach medizinische Leistungen in einem anderen EU-Land in Anspruch nehmen.

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Sehen die Euro Münzen überall gleich aus?

Auf der Vorderseite – oder auch Zahlenseite genannt – „Ja“, auf der Rückseite „Nein“. Jedes Euro-Land kann die Rückseite seiner Münzen selbst gestalten. In einigen Ländern sind Staatsoberhäupter oder berühmte Persönlichkeiten abgebildet, wie z.B. auf der österreichischen Ein-Euro-Münze Wolfgang Amadeus Mozart, auf anderen befinden sich nationale Symbole wie zum Beispiel die Harfe in Irland. Selbst der Vatikanstaat, San Marino und das Fürstentum Monaco haben eigene Euromünzen bekommen. Diese sind auf Grund der geringen Auflage schon sehr begehrte Sammlerstücke. Im Gegensatz zu den Münzen sehen die Banknoten in allen Euro-Ländern gleich aus.

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Werden noch mehr Staaten zur EU kommen?

Ja, definitiv, die Frage ist nur wann. Über einen möglichen Beitritt offiziell verhandelt wird derzeit mit Kroatien, der Türkei und seit kurzem auch mit der früheren jugoslawischen Republik Mazedonien. Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien und auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen Krise auch Island haben Interesse gezeigt, der EU beizutreten.

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Kann die EU Krieg verhindern?

Die EU hat sich als ein Projekt für mehr Stabilität und Frieden in Europa durchgesetzt. Durch die große wirtschaftliche Zusammenarbeit und Verflechtung innerhalb der EU ist ein Krieg zwischen Mitgliedsstaaten undenkbar geworden. Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedsstaaten werden heute in den Gremien und Kommissionen der EU, vor dem Europäischen Gerichtshof oder am Fußballplatz und beim Ski Fahren ausgetragen. Durch finanzielle Unterstützungen, durch den Transfer von Technologien und Wissen oder durch das Angebot, stärker mit der Europäischen Union zusammen zu arbeiten, kann die EU zu einem gewissen Maße auch Kriege außerhalb ihrer Grenzen verhindern oder zumindest Folgen militärischer Auseinandersetzungen mildern.

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https://www.demokratiewebstatt.at/thema/europa/interview-kann-die-eu-krieg-verhindern
gedruckt am: Freitag, 19. April 2024