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Interview mit der Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle

Dr.inKathrin Stainer-Hämmerle ist Politik- und Rechtswissenschafterin und unterrichtet an der Fachhochschule Kärnten. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u.a. österreichische Politik, Politische Bildung sowie das Verhältnis zwischen Jugend und Politik.

Die DemokratieWEBstatt hat mit ihr im September 2016 über das politische Handeln in Österreich gesprochen.

Was verstehen Sie unter politischem Handeln?

Politik hat die Aufgabe, allgemein verbindliche Regeln für eine Gruppe von Menschen festzulegen. Das sind meist im Parlament (Nationalrat, Landtage, Europäisches Parlament) beschlossene Gesetze, die von der Verwaltung (Regierungen, Ministerien) umgesetzt werden. Auch nicht-gesetzliche Regelungen zählen dazu, beispielsweise Schulordnungen.

Der Versuch, diese Regeln zu beeinflussen, wird im weiteren Sinne als politisches Handeln bezeichnet. Um politisch zu handeln, reicht es oftmals aus, sich an Diskussionen zu beteiligen, im Internet über politische Themen zu posten oder einfach bewusst einzukaufen. Voraussetzung für jedes politische Handeln ist, dass ich mir darüber bewusst bin und mein Verhalten auch Auswirkungen über den privaten Bereich hinaus haben kann und soll.

Wie funktioniert politisches Handeln in der Republik Österreich?

In einer Demokratie muss jede Entscheidung ihre Grundlage im Volk finden. Meist geschieht dies durch Wahlen für die Parlamente. Wenn ich eine bestimmte Partei oder eine bestimmte Person wähle, ermächtige ich diese auch, für eine Legislaturperiode Entscheidungen zu treffen und Regeln für alle zu bestimmen. Darüber hinaus kann im Rahmen der direkten Demokratie die Bevölkerung bei Sachentscheidungen durch Volksabstimmungen oder Volksbefragungen mitentscheiden.

Bevor ein Gesetz aber im Parlament beschlossen wird, müssen einzelne Personen oder eine Gruppe von Menschen erst Vorschläge entwickeln, z.B. Parteien oder BürgerInnen. Die Vorschläge werden dann meist breit in der Öffentlichkeit diskutiert, wobei die Vor- und Nachteile abgewogen werden. Schließlich wird auch der Vollzug von Gesetzen und anderer Regelungen überwacht. Das erledigen nicht nur die Gerichte, sondern auch Medien oder internationale Organisationen. Somit endet die Aufgabe der Politik eigentlich nie.

Oft braucht es aber gar kein Gesetz, sondern nur eine Abmachung zwischen einzelnen Gruppen in der Gesellschaft. So werden zum Beispiel Mindestlöhne und Arbeitszeiten in sogenannten Kollektivverträgen festgelegt, die ArbeitgebervertreterInnen und ArbeitnehmervertreterInnen verhandeln. (Sozialpartnerschaft).

Wichtig ist, dass jede Bürgerin und jeder Bürger auf verschiedene Arten politisch aktiv sein kann.

Wer sind die bestimmenden Akteure des Politischen Handelns in Österreich?

In einer Demokratie ist das Ziel, dass alle Menschen bei jenen Regeln mitbestimmen dürfen, an die sie sich auch zu halten haben. In der Praxis ist das nicht in jedem Fall gegeben, denken wir nur an Kinder, Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft und Touristen. Weiters leben wir in einer repräsentativen Demokratie, d.h. wir wählen politische Parteien und Personen, die für uns über einen bestimmten Zeitraum die Entscheidungen treffen.

Um ausreichend Informationen über die Ziele von Parteien und PolitikerInnen zu erhalten, aber auch um ihre Tätigkeit zu kontrollieren, brauchen wir Medien. Selbstverständlich muss die österreichische Politik aber auch mit der Wirtschaft und mit allen Gruppen der Gesellschaft kooperieren.

Der politische Prozess im engeren Sinn spielt sich zwischen Bevölkerung, den vermittelnden Institutionen (Parteien, Medien und Interessenorganisationen) sowie den drei Gewalten Legislative, Exekutive und Legislative ab. Gleichzeitig sind wir ein föderaler Staat mit eigenen Kompetenzen auf Landes- und Gemeindeebene.

Welche Bedeutung hat politisches Handeln Ihrer Meinung nach für Jugendliche?

Jedem Menschen muss klar sein, dass Regeln sein Leben bestimmen, und jeder hat dabei die Wahl: Rede ich mit oder lasse ich andere über mich entscheiden. Österreich ist eines der wenigen Länder der Welt, wo Jugendliche schon ab 16 wählen dürfen. Die Bundespräsidentenwahl oder auch die Abstimmung zum Brexit in Großbritannien haben gezeigt, dass wenige Stimmen entscheidend sein können.

Da junge Menschen wesentlich länger mit den heute getroffenen Entscheidungen und Regelungen sowie deren Auswirkungen leben müssen, ist es auch für Politikerinnen und Politiker sehr wichtig, deren Meinung und Ansichten zu kennen. Das geht aber nur, wenn sich Jugendliche auch am politischen Prozess beteiligen und an Diskussionen teilnehmen.

Wo und wie handeln Jugendliche politisch?

Jeden Tag, wenn sie das Ziel haben, die Erstellung von allgemein verbindlichen Regeln zu beeinflussen. Das geschieht natürlich an erster Stelle durch das Wahlrecht. Aber auch bei Diskussionen im Freundeskreis, in der Familie oder der Schule können Entscheidungen beeinflusst werden, durch die Weitergabe von Informationen etwa in sozialen Netzwerken oder wenn man sich zum Beispiel weigert, umweltschädliche Produkte zu kaufen. Politisch aktiv kann man also auf vielfältige Weise sein: In der Schule, am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, beim Einkaufen, bei einem Verein, in einer Partei, bei Diskussionen, durch ehrenamtliche Tätigkeit oder durch die Übernahme von gewählten Positionen.

Wie wirkt sich die zunehmende Digitalisierung (z.B. Bedeutung sozialer Netzwerke) auf das politische Handeln aus?

Ein Traum vieler Menschen, zeitgleich, direkt und ohne Zensur mit allen Menschen zu kommunizieren, wird erstmals ermöglicht. Diese Meinungsfreiheit ist noch immer nicht in allen Ländern selbstverständlich, und auch wir sollten dieses Recht achten und schützen.

Sie bedeutet aber auch eine größere Verantwortung für jeden Einzelnen von uns. Sehr viele Informationen werden heute ungeprüft verbreitet und Gerüchte in die Welt gesetzt, die Menschen verletzen oder schaden können. Auch ist es wichtig, sich ein umfassendes Bild über die Themen zu machen. Das Internet oder soziale Medien bieten aber oft nur einen bestimmten Ausschnitt der Diskussion. Das birgt die Gefahr, dass ich manche Argumente oder Sichtweisen gar nie kennenlerne und darüber nachdenken kann. Ein wichtiges Merkmal einer Demokratie ist unsere Fähigkeit, miteinander zu kommunizieren, uns gegenseitig zu verstehen und dann gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

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gedruckt am: Sonntag, 17. März 2024