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… und mehr als nur den Krieg verloren

Traurige Bilanz

Deutschland und Österreich-Ungarn hatten den Krieg verloren und waren auch wirtschaftlich und gesellschaftlich hart getroffen. Mehr als die Hälfte der zum Fronteinsatz eingezogenen Männer waren verwundet oder getötet worden oder in Gefangenschaft geraten. Allein die Armee Österreich-Ungarns zählte rund 1,5 Millionen Todesopfer. Diese Männer fehlten nach dem Krieg als Arbeitskräfte und ließen traumatisierte Familien zurück.

Viele Soldaten kamen körperlich und seelisch schwer verwundet in ihre Heimat zurück. Sie hatten zum Beispiel einen Arm, ein Bein, ein Auge verloren und konnten keinem geregelten Beruf mehr nachgehen. Zahlreiche Männer konnten sich nie von den Traumatisierungen durch ihre Erlebnisse an der Front erholen.

Mit dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie verloren viele, die im Dienst der österreichisch-ungarischen Armee oder des Staates gestanden waren, ihre wirtschaftliche Existenz. Gemeinsam mit ihren Familien suchten sie als Flüchtlinge in der neuen Republik Österreich ein neues Zuhause. 

Bereits während des Kriegs waren viele Menschen aus den Kriegsgebieten in das sicherere Hinterland geflüchtet. Im März 1915 befanden sich allein in Wien mehr als 200.000 Flüchtlinge aus Galizien und Polen.

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  • Flüchtlinge aus Galizien

    Flüchtlinge aus Galizien

    Schon im Herbst 1914 trafen Flüchtlinge aus Galizien auf dem Wiener Nordbahnhof ein. © Österreichisches Staatsarchiv 

  • Heimkehrende Flüchtlinge

    Heimkehrende Flüchtlinge

    Heimkehrende obdachlose Flüchtlinge © Österreichisches Staatsarchiv

  • Flüchtlingskinder in Venetien

    Flüchtlingskinder in Venetien

    Flüchtlingskinder in Venetien im Mai 1918 © Österreichisches Staatsarchiv

  • Lagerstraße im Flüchtlingslager

    Lagerstraße im Flüchtlingslager

    Lagerstraße im Flüchtlingslager Bruck an der Leitha © Österreichisches Staatsarchiv

Opfer abseits der Front

Der Krieg forderte auch in der Zivilbevölkerung viele Opfer. Krankheiten wie Typhus oder die Spanische Grippe und schwere Unterernährung trieben die Sterblichkeit unter der Bevölkerung in die Höhe. Besonders betroffen waren Kinder. Das galt vor allem für Kinder aus Großstädten wie Wien. Jahrelang unterernährt, litten sie unter schweren Mangelerscheinungen. Bilder des Wiener Kinderelends entsetzten nach dem Krieg ganz Europa. Die Sorge um die zukünftige Generation wurde zum Thema der politisch Verantwortlichen. Die Gemeindeverwaltung richtete ein eigenes Jugendamt ein. Mit vereinten Kräften wurden die Kinder notdürftig ernährt und in Sommerlagern aufgepäppelt. Zudem waren die Kinder oft mit Verletzung oder dem Tod eines nahen Familienmitglieds konfrontiert und blieben als Halbwaisen oder Waisen zurück. 

Eine Wirtschaft ohne Halt

Die junge Republik Österreich stand nach dem Krieg vor einem beschädigten Wirtschaftssystem – ohne Geld für den Wiederaufbau. Der Erste Weltkrieg hatte mehr gekostet, als sich die Staaten leisten konnten. Vor allem Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland begannen ab 1914, Geld von der eigenen Bevölkerung zu borgen, das sie nach Kriegsende wieder zurückzahlen wollten. Insgesamt acht dieser so genannten Kriegsanleihen legte die österreichisch-ungarische Regierung auf. Der Staat erhielt so von den BürgerInnen mehr als 50 Milliarden Kronen, mit denen er die Ausgaben für den Krieg beglich. Diese Kriegsanleihen konnten jedoch nach 1918 nicht zurückgezahlt werden. Österreich war verarmt und seine Bevölkerung verlor dadurch auch noch ihre Ersparnisse. Die Folge waren strenge Sparmaßnahmen, die Entlassung von Staatsangestellten und die Einführung neuer Steuern, um den Staatshaushalt und die Währung zu sanieren.

Die Kriegsfolgen erschwerten die Wiederherstellung einer funktionierenden Wirtschaft. Rohstoffe für die Industrie fehlten, weil im Krieg Raubbau betrieben worden war oder weil die sogenannten Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns ihre Ressourcen nun für sich selbst verwendeten und nicht mehr nach Österreich liefern wollten. Die Industrie produzierte mit veralteten Maschinen, da in den vier Kriegsjahren ausschließlich in die Rüstungsproduktion investiert worden war. Und es mangelte an Arbeitskräften, da viele Männer getötet oder schwer verletzt worden waren und die Menschen von vier Jahren Entbehrung entkräftet waren. Andererseits gab es zahlreiche beschäftigungslose ehemalige Generäle und Offiziere. Es fehlte auch an AbnehmerInnen für die Produkte: Die Bevölkerung hatte kaum Geld, um sich das Überleben leisten zu können, und die alten Absatzmärkte der Monarchie waren verloren gegangen.

Kriegsmüde, ausgeblutet und ohne Hoffnung

Millionen getöteter oder verwundeter Menschen, zerstörte Dörfer und Städte, verwüstete Landschaften und ein kaputtes Wirtschaftssystem waren die sichtbaren Folgen des Kriegs. Auch die Psyche der Menschen hatte unter den vielfach traumatisierenden Erfahrungen der vier Kriegsjahre Schaden genommen: Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung machten sich breit. Die Bevölkerung war von ihrer Regierung enttäuscht worden. Das jahrelange Kämpfen, Hungern und Ausharren für „Kaiser und Vaterland“ war umsonst gewesen und hatte große Opfer gefordert. Schon in den letzten Kriegsmonaten hatte sich gezeigt, dass die ÖsterreicherInnen den Krieg und die bestehende Regierung ablehnten, nicht mehr wollten, aber auch nicht mehr konnten: Arbeitsniederlegungen und Streiks in der Rüstungsindustrie und der Zerfall des Heeres waren deutliche Signale. Die gesellschaftliche Ordnung aus der Kaiserzeit brach auseinander. Revolutionäre Bewegungen entstanden und in Österreich wie in Deutschland wurden demokratische Republiken ausgerufen.

Österreich hatte sich von einer Monarchie mit 55 Millionen Menschen zu einem kleinen Land mit sechseinhalb Millionen EinwohnerInnen gewandelt. Viele hielten den neuen Staat wirtschaftlich für nicht lebensfähig und wünschten sich einen Zusammenschluss mit dem größeren Deutschland. Sie hatten wenig Vertrauen in die Zukunft ihrer Republik. 

Zum Gedenken an die Gefallenen errichteten zahlreiche Ortsgemeinschaften in den Nachkriegsjahren Kriegerdenkmäler. Oft setzten auch Familien eigene Mahnmale für ihre Ehemänner, Väter oder Brüder, die „fern der Heimaterde“ an den Kriegsschauplätzen begraben waren oder vermisst blieben.

Eine Folge des Ersten Weltkriegs war die Inflation. Das Geld verlor immer rascher an Wert, während die Preise stiegen, so dass man sich fast nichts mehr leisten konnte. Zum Beispiel kostete 1kg Butter 1915 noch 4 Kronen, 1921 musste man schon 3000 Kronen dafür bezahlen! (Quelle: Nonndorfer Schulchronik aus dem Waldviertel)

Auch heute, 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wird noch der Opfer von damals gedacht. In vielen Ländern gibt es jährlich einen Erinnerungstag. Die rote Mohnblume ist in Großbritannien ein Symbol zum Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs.

https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-der-erste-weltkrieg/der-erste-weltkrieg-und-seine-folgen/und-mehr-als-nur-den-krieg-verloren
gedruckt am: Freitag, 15. März 2024