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Interview mit Kurt Appel, Professor für Theologie

Kurt Appel ist Professor für Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zudem leitet er ein universitäres Forschungszentrum, welches sich mit der Religion in der Gegenwart, ihren verschiedensten Ausdrucksformen und Veränderungen, und ihrem Verhältnis zur Politik und Kultur beschäftigt.

Wir haben im November 2018 mit ihm über das Thema „Religion und Glaube“ gesprochen.

Wie würden Sie die Bedeutung von Religion und Glaube einem Kind erklären?

Religion ist das Vertrauen darauf, dass die Welt von einer überfließenden Liebe geleitet wird. Sie glaubt und hofft darauf, dass jedes Geschöpf einen einmaligen und gottgewollten Platz im Leben hat. Und sie hofft darauf, dass auch die Toten, die für uns unerreichbar sind, nicht „Nichts“ sind, sondern mit uns sind, dass ihre Geschichten nicht zu Ende sind.

Womit beschäftigen sich TheologInnen? Wie kann man sich das Theologiestudium vorstellen?

Theologie beschäftigt sich mit der Frage nach dem Sinn des Lebens, mit der Frage, wie ich mein Leben sinnvoll gestalten kann und es in den Dienst anderer stelle. Und natürlich beschäftigt sie sich mit der Frage der Existenz Gottes, d.h. mit der Frage, ob die Welt von einer unermesslichen Liebe begleitet wird oder nicht. Dazu beschäftigt sich die Theologie mit heiligen Texten, d.h. mit Texten, die in der Geschichte der Menschheit und ihrer Kulturen eine sinnstiftende Funktion hatten und immer noch haben. Dabei versucht sie, diese Texte auszulegen, d.h. ihren Sinn für die heutige Zeit zu erschließen.

Was bedeutet „Glaube“ für Sie?

Glaube heißt für mich, sich getragen zu wissen das ganze Leben hindurch, in frohen wie in ganz schwierigen Zeiten. Zu glauben bedeutet auch, dass man irren und Fehler begehen kann und trotzdem nicht verloren ist. Es heißt aber auch, die Liebe, die man dabei erfährt, weiterzugeben und lernen, für das Dasein der Welt zu danken.

Wo sehen Sie Zusammenhänge zwischen Politik/Demokratie und Religion?

Religionen begehen oft den Fehler, sich im Besitz Gottes zu wähnen. Dann vergöttlichen sie sich selbst und neigen zu Gewalt und Intoleranz. Religion kann aber auch bedeuten, dass man zu seinen Fehlern, Ängsten und Irrtümern steht, dass man demütig darum weiß, nicht der letzte Maßstab in der Welt zu sein und ahnt, dass in Gott alles Leben und alles Sein verbunden ist. Auf diese Weise können Religionen eine Schule von Mitgefühl und Demut werden, was eine wichtige Voraussetzung für Demokratie und Politik darstellt.

Werden Ihrer Meinung nach Religionen und Glaube immer wichtiger oder verlieren sie an Bedeutung?

Der Mensch wird immer nach dem Sinn des Lebens fragen und er wird hoffentlich immer offen für das Geheimnis des Lebens, der Liebe und der Schönheit der Welt sein. Er wird hoffentlich, und das ist vielleicht das Wichtigste, immer bereit sein, Fragen nach dem Warum? und Woher? der Wirklichkeit zu stellen. Das passiert in religiösen und auch in nichtreligiösen Zusammenhängen. Vielleicht kann man die Frage deshalb so schwer beantworten, weil heute immer mehr Menschen religiöse und nicht religiöse Momente in sich vereinen. Die Grenzen zwischen religiös und nichtreligiös sind also viel offener, was, so glaube ich, eine schöne Entwicklung ist.

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gedruckt am: Samstag, 16. März 2024