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„Ist das Kunst oder kann das weg?“

Dass nicht immer eindeutig zu erkennen ist, was ein Kunstwerk ist, zeigen ein paar berühmt-berüchtigte „Unfälle“ in der Kunst-Szene.

Wie und wann genau die (scherzhafte) Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ entstanden ist, ist nicht bekannt. Meist wird aber die unabsichtliche Zerstörung zweier Kunstwerke des Künstlers Joseph Beuys (1921 – 1986) als Ursprung genannt.

Geschrubbte Badewanne

Im November 1973 wurde in einem Museum in Leverkusen ein Fest gefeiert. Zwei Festgäste suchten eine Schüssel zum Gläserspülen. Sie fanden eine Babywanne, die mit Heftpflastern und Mullbinden, Fett und Kupferdraht „verschmutzt“ war. Ohne zu ahnen, dass es ein Kunstobjekt von Joseph Beuys (1921-1986) ist, reinigten sie die Wanne, um darin Gläser zu spülen…

Fettecke oder Fettfleck?

Noch ein Kunstwerk von Joseph Beuys wurde unfreiwillig „gesäubert“: Für sein Kunstwerk „Fettecke“ hatte der Künstler Joseph Beuys in einem Raum der Düsseldorfer Kunstakademie an der Wand fünf Kilogramm Butter angebracht. Die Installation wurde 1986 bei Putzarbeiten einfach weggewischt und landete im Mülleimer.

In beiden Fällen musste eine hohe Summe als Schadensersatz gezahlt werden.

„Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen“

Das Kunstwerk „Wenn’s anfängt durch die Decke zu tropfen“ ist eine Installation des Künstlers Martin Kippenberger (1953-1997). Sie besteht aus einem menschenhohen Turm aus Holzlatten, unter dem ein großer Gummitrog steht. Den Boden dieses Gummitrogs bedeckte eine weißlich-kalkige Schicht.
2011 putzte eine Putzfrau im Ostwall-Museum in Dortmund den Kalkfleck im Trog weg. Damit war das 800.000-Euro-Werk restlos sauber, aber für immer zerstört.

Abgesehen davon, dass diese Vorfälle irgendwie unterhaltsam sind – zumindest für Unbeteiligte – zeigen sie dennoch etwas Wichtiges auf: Was für jemanden „Kunst“ ist (oder eben nicht), ob ein Kunstwerk einen „anspricht“, und wie man ein Kunstwerk wahrnimmt, das hat auch sehr viel damit zu tun, welche Erfahrungen man selber gemacht hat!
Jemand, dessen Job es ist, Unordnung und Schmutz möglichst gründlich zu beseitigen, wird Kalk- und Fett-„Flecken“ zumindest nicht sofort als Teil eines Kunstwerkes wahrnehmen.

Kunstwerke werden sozusagen nicht nur von den KünstlerInnen „geschaffen“, sondern auch von den Menschen, die diese Kunst betrachten.

Werke von Banksy

Auch mehrere Werke des britischen Streetart-Künstlers Banksy (*wahrscheinlich 1974) erlitten dasselbe Schicksal: Weil die Graffitis sich im öffentlichen Raum befinden, und nicht als (mehrere tausend Euro) wert-volle Kunst erkannt wurden, wurden sie weggeputzt, oder übermalt. So z.B. überpinselten Bauarbeiter 2007 in London sein Bild der Schauspielstars John Travolta und Samuel L. Jackson. In Melbourne (AU) wurden zwischen 2010 und 2013 gleich mehrere seiner Rattengraffitis durch die Straßenreinigung weggeputzt bzw. bei Bauarbeiten zerstört.

Bei Kunstwerken im öffentlichen Raum, wie Graffitis, kommt es immer wieder zu Diskussionen: Manche Leute meinen, bei dieser Art von Kunstwerken gehöre es sozusagen dazu, dass sie irgendwann übermalt werden oder sonst wie „verschwinden“. Es sei eine Kunst, die eben nicht für die Ewigkeit gedacht ist, sondern vergänglich ist – und gerade deshalb wertvoll. Wieder andere sehen Graffiti ohnehin als eine Form von Beschädigung („Vandalismus“) an und finden, deshalb dürfe man es selbstverständlich entfernen.

Die folgende Geschichte zeigt, dass in einigen Fällen die Kunstwerke erst recht „wertvoll“ werden können, nachdem sie eigentlich zerstört wurden:

Misslungen, aber wertvoll

2012 versuchte im spanischen Dorf Borja eine 80-jährige Amateur-Restauratorin, ein Jesus-Fresko aus dem 19. Jahrhundert „aufzufrischen“. Das Gemälde in der Kirche war Bestandteil des Werks „Ecce homo“ des spanischen Malers Elías García Martínez.
Leider misslang die „Restaurierung“ völlig: Auf dem misslungene Bild sieht Jesus’ Gesicht einem Äffchen-Gesicht ähnlich. Weltweit berichteten Medien darüber, und im Internet wurde es zu einem regelrechten „Hype“. Dieser löste einen Touristenboom in Borja aus, und das zerstörte Fresko wurde letztlich berühmter und „wertvoller“ als das Original.

Das usprüngliche Gemälde „Ecce Homo“ © Elias Garcia Martinez / Wikipedia
Der „Ecce Homo“ nach der Bearbeitung durch die Amateur-Restauratorin © Cecilia Giménez / Wikipedia

https://www.demokratiewebstatt.at/thema/thema-kunst-und-kultur/ist-das-kunst/ist-das-kunst-oder-kann-das-weg
gedruckt am: Freitag, 15. März 2024